Kurzbesuch in Kirgistan


Hörend mitradeln:


Nach 25 Kilometern Abfahrt im Niemandsland sind wir endlich am kirgisischen Grenzposten, kaum 30 Sekunden brauchen wir hier. Es ist verrückt, aber sobald wir in Kirgistan sind, gibt es wieder Gras um uns herum. Pferdeäpfel liegen auf der Straße, wir sehen Jurten, einen großen Raubvogel und der erste kirgisische Reiter galoppiert über die weite Graslandschaft- der Blick nach hinten ist eindrucksvoll. Das weiße Gebirge steht klotzig und wunderschön da- mächtig und unumstößlich.

 

Von Sary Tash bis nach Osch sind es jetzt noch 180km- dort endet der Pamirhighway.

 

Wir staunen über das Angebot im kirgisischen Laden. V.a. aber die Auswahl an Wodka kann sich sehen lassen. Auf der Ladentheke stehen Schnapsgläser und eine offene Flasche- die erste Runde heute ist schon hintergekippt worden. Die Männer vorm Laden schwanken schon, bevor wir unseren Radeltag überhaupt gestartet haben.

 

Laster und Pritschenwagen sind mit uns in Richtung Osch unterwegs. Transport iert werden Kühe, Pferde, Ziegen und Schafe. Kuhkörper quetschen gegen die Holzlatten, manche Schafe sind wie Säcke aufs Dach gebunden. Auch Kohlelaster ziehen an uns vorbei, bergauf aber nur unwesentlich schneller, geradzu perfekt, um sich dran festzuhalten. Die Kohle auf dem kleinen LKW ist mit einer Rüschengardine abgedeckt. Oben am Pass bekommen wir Wassermelone und Wodka gereicht. Meist aber radeln wir bergab- bis Osch haben wir ja noch 2500 Höhenmeter zu verlieren.

Endlich sehen wir wieder Bäume und Pflanzen nach der Hochgebirgswüste. Bei Timur und Aipjeri im Garten zelten wir, die Kinder staunen, was wir so aus unseren Taschen holen. Und bevor wir Timur daran hindern können, hat er kurzerhand für seine radelnden Gäste ein Huhn geschnappt und ihm flink die Kehle durchgeschnitten. Aipjeri ist in der Küche verschwunden. Heute gibt es Hühnchen-Plov. „Wenn meine Mutter hier wäre“, sagt Timur „dann hätte sie eine Ziege für euch geschlachtet.“ Na ein Glück ist sie gerade im Urlaub. Und ein Glück haben wir den Schotten George an unserer Seite, dann fällt wenigsten nicht auf, dass Arne vom Huhn gar nichts isst. Timur und Aipjeri haben ein 4-Monate altes Baby. Aber Onkel Timur kümmert sich auch um die kleinen seines Bruders, auch viele Kirgisen verdienen ihr Geld in Russland.

 

Es ist Stau auf der Straße nach Osch. Ziegenkacke und Pferdeäpfel sind breit über die ganze Straße verstreut. Ziegen und Fettschwanzschafe verstopfen die Straße. Die Autos und LKWs hupen die Tiere weg, die jetzt von den hohen Sommerweiden heruntergetrieben werden, geleitet und angetrieben von den reitenden Hirten.

 

Hier auf den Wiesen um uns herum sind überall Pferde unterwegs. Nicht auf eingezäunten Koppeln, sondern frei streifen die bunten Herden umher. Das Reiten ist im kirgisisch nomadischen Volk traditionell verankert. Ein kleiner Junge- nicht älter als 10- führt sein großes Pferd zum Trinken an den Fluss. Wenig später, Als Arne das Lagerfeuer anzündet, kommt er mit einem Bündel gesammelten Holzes zu uns geritten und wirft es zu uns hinunter. Er prescht über die Wiese davon, das Flussufer entlang, im Galopp und ohne Sattel auf dem riesigen Pferderücken.

 

Und je tiefer wir kommen, desto mehr Schichten ziehen wir wieder aus. Blumen, Wiesen, Apfelbäume. Obwohl es nach Heu und Laub riecht, fühlt sich der beginnende Herbst jetzt wie Frühling an. In Osch erwarten uns nach dem Winter erstmal 25 Grad. Dazu Autoverkehr, Krach, volle Supermärkte und städtische Infrastruktur. Hier im Hostelgarten treffen sich Radreisende und schwärmen vom Pamir-Highway, der hier unten schon wieder ziemlich weit weggerückt ist. Und wir liegen im Gras, schreiben und bereiten uns auf China vor.

Wir trampen zurück nach Sary Tash und radeln in Richtung Irkeshtam Pass und raus aus Kirgistan. Ein Land, in das wir auf jeden Fall noch mal wieder kommen, um mehr zu entdecken.